Der wiedererwachte Enthusiasmus der SPD für die Ortsbeiräte

In einer Pressemitteilung vom 13. Juni 2018, die auch von Zeitungen übernommen und in sozialen Medien verbreitet wurde, präsentiert sich die Oberurseler SPD sozusagen als Mutter der neuen Ortsbeiräte. Falls sich die SPD seit den achtziger Jahren für deren Schaffung ausgesprochen haben sollte, muss sie das eher hinter vorgehaltener Hand und ziemlich erfolglos getan haben, obwohl sie seit fünfzehn Jahren den Bürgermeister und damit den für Gremien zuständigen Dezernenten stellt und der Fraktionsvorsitzende zu den erfahrensten Strategen der Oberurseler Kommunalpolitik gehört. Die Hälfte der SPD-Ortsbeiratsmitglieder sitzt auch im Stadtparlament. Im derzeit gültigen Wahlprogramm der SPD steht zu den Ortsbeiräten lediglich der Satz „Die SPD setzt sich dafür ein, dass die Ortsbeiräte eigene Haushaltsmittel erhalten, um selbstständig ortsnahe Angelegenheiten zu erledigen.“ Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU steht dazu nichts, und die SPD unternahm bisher auch nichts, eigene Haushaltsmittel für die Ortsbeiräte zu beantragen.

In Wirklichkeit war es doch so, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen Ende der vergangenen Wahlzeit und damit nach Ansicht der übrigen Fraktionen zu spät beantragte, Ortsbezirke in Oberursel Mitte und Nord einzurichten. Das hatte zwar auch schon im Koalitionsvertrag SPD-Grüne-OBG von 2011 gestanden, war nach Bruch der Koalition 2012 aber nicht mehr aufgerufen worden. Grünen-Stadtverordneter Stephan Schwarz, ein erfahrenes Ortsbeiratsmitglied, ließ aber nicht locker. In der neuen Wahlzeit, auf der Stadtverordnetenversammlung am 6. Oktober 2016, gelang den Grünen der Durchbruch mit dem erneut gestellten Antrag auf Bildung von Ortsbeiräten in Oberursel Mitte und Nord und der OBG mit ihrem Änderungsantrag, Ortsbezirke für Oberursel Mitte und Nord und für Bommersheim einzurichten und den bisherigen Beirat Bommersheim durch einen Ortsbeirat abzulösen. Bündnis 90/Die Grünen übernahmen den Änderungsantrag der OBG.

Die SPD sorgte dafür, dass der Antrag nicht beschlossen, sondern zur Beratung in den Haupt-und Finanzausschuss überwiesen wurde, wo ihn CDU und SPD gründlich abwandelten und die Umsetzung mit Hürden versahen. Nach dem schwachen Besuch der beiden Bürgerversammlungen zum Thema Einrichtung neuer Ortsbeiräte rechnete kaum noch jemand mit einem nennenswerten Rücklauf der danach versandten Fragebögen. Schließlich hatten ja die Meisten der Befragten keine Erfahrung mit Ortsbeiräten, die Bommersheimer schienen an ihren Beirat gewöhnt und besondere Werbemaßnahmen für eine höhere Stimmbeteiligung gab es nicht.

Die Oberurseler Bürgerinnen und Bürger haben aber alle Skeptiker eines Besseren belehrt.

Die OBG mag in der Vergangenheit nicht die Vorreiterin der Basisdemokratie gewesen sein. Es gab auch eine Zeit, in der es ihr schwerfiel, allein die bestehenden Ortsbeiräte qualifiziert zu besetzen. Immerhin hat sie aber die Stärkung der bestehenden Ortsbeiräte in ihr Wahlprogramm aufgenommen und auch den Satz „Eine mögliche Einführung von Ortsbeiräten für die Bereiche Stadtmitte und Oberursel Nord ist mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in einem offenen Dialog zu erörtern.“ Das ist ja nun erfolgreich geschehen, und dass nun auch Bommersheim dabei ist, gebietet der Gleichheitsgrundsatz.

Vielleicht erinnert sich der SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament noch daran, dass es Monate gedauert hat, bis ein von der OBG initiiertes direktes Antragsrecht der Ortsbeiräte im Stadtparlament in weichgespülter Form durchgesetzt werden konnte. Umso begrüßenswerter ist es, wenn die neue Ortsvereinsvorsitzende jetzt über weitere Aufgaben und Kompetenzen nachdenkt, die den Ortsbeiräten direkt übertragen werden könnten. Und damit will sie schon bei den existierenden Ortsbeiräten beginnen.

Die Gunst der Stunde gebiert ganz neue Opportunitäten.

Die Presemitteilung der SPD steht unter https://bit.ly/2lcEs4l

Über Christoph Müllerleile

Ich bin Mitglied der Oberurseler Bürgergemeinschaft (OBG) in Oberursel (Taunus).
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