Koalition scheitert an ihrer Überheblichkeit

Die Stadtverordnetenversammlung hat am 16. November 2017 den bisherigen Amtsinhaber Christof Fink mit 23 Stimmen für eine weitere sechsjährige Amtszeit zum Ersten Stadtrat gewählt. Auf den vom Wahlausschuss mehrheitlich vorgeschlagenen Stadtkämmerer Thorsten Schorr entfielen in drei geheimen Wahlgängen jeweils 21 Stimmen, zwei weniger als die Koalition Mandate besitzt. In den ersten beiden Wahlgängen hatte Fink nur 16 Stimmen erhalten. Jeweils acht Stadtverordnete hatten beide Kandidaten mit Neinstimme abgelehnt.

Die OBG hatte Fink zur Wiederwahl vorgeschlagen, allerdings mit geringer Aussicht auf Erfolg. Noch am 29. Juni hatten lediglich OBG, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke gegen die Bildung eines Wahlvorbereitungsausschusses und damit für den Verzicht auf Ausschreibung der Stelle des Ersten Stadtrats gestimmt. Die Wiederwahl Finks kam deshalb sowohl für den Kandidaten als auch für die ihn unterstützende OBG völlig überraschend. Es hatte im Vorfeld zwar Kontakte zwischen OBG und Bündnis 90/Die Grünen darüber gegeben, ob ein solcher Vorschlag überhaupt Sinn machte. Und natürlich war der Kandidat selbst gefragt worden, ob er antreten würde, wenn ihn die OBG vorschlüge. Als der Kandidat dies bejahte, stellte die OBG Fink kurz vor der Stadtverordnetenversammlung offiziell zur Wiederwahl auf.

Warum die Koalition von mindestens zwei ihrer Mandatsträger im Stich gelassen wurde und sich im dritten Wahlgang plötzlich eine Mehrheit für Fink bildete, kann nur gemutmaßt werden. Nach Ansicht der OBG sind die Gründe vor allem im rücksichtslosen Umgang der Koalition mit der Macht bei sehr knapper Mehrheit und auch mit der Person von Christof Fink zu suchen. Die auf das Wohl von Personen und Parteien gesetzten Prioritäten haben sich für CDU/SPD nicht ausgezahlt.

Mit Christof Fink war 2011 dank der damals noch existierenden Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und OBG ein erfahrener Parlamentarier zum Ersten Stadtrat gewählt und vom Bürgermeister mit den Ressorts Soziales, Umwelt und Verkehr betraut worden. Fink überzeugte nach Amtsantritt 2012 durch fachliche Kompetenz und Geradlinigkeit und durch seine verbindliche Art auch gegenüber politischen Gegnern. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen hinter ihm, ein Aspekt, der im Rathaus immer wichtiger wird. Die OBG betrachtete manche seiner Maßnahmen mit Skepsis. Aber er ließ mit sich reden und korrigierte Entscheidungen.

Nach der Kommunalwahl im März 2016 demütigte die neue Koalition Christof Fink zwei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit zum Dezernenten auf Abruf. Das Fell des Bären wurde öffentlich verteilt. Der bisherige Stadtkämmerer sollte, obwohl ihn die Öffentlichkeit zweimal als Bürgermeisterkandidaten abgelehnt hatte, zum Ersten Stadtrat und damit zum natürlichen CDU-Kandidaten für die Nachfolge Brums aufrücken; die SPD wollte im Gegenzug den freigewordenen Stadtratsposten besetzen, um ebenfalls eine Kandidatin oder einen Kandidaten in Stellung bringen zu können. Der Stadtkämmerer wollte sich sogar von seinem CDU-Vorsitz trennen, um mehr Zeit fürs Händeschütteln zu gewinnen.

Da schon alles feststand, bewarben sich auf die Position des Ersten Stadtrats statt der üblichen zwanzig nur noch drei Kandidaten. Auf das Votum des Stadtparlaments kam es da scheinbar schon nicht mehr an. Auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung am 16. November standen bereits die Amtseinführung durch den Stadtverordnetenvorsteher, die Aushändigung der Ernennungsurkunde durch den Bürgermeister, die Ablegung des Diensteides und die Bildung eines Wahlvorbereitungsausschusses zur Wahl von Finks Nachfolger. Für die Verabschiedung des Ersten Stadtrats wurden auf Antrag des Stadtkämmerers 5.000 Euro in den Haushalt nachgeschoben. Urkunden waren nur für Schorr vorbereitet. Der Respekt vor dem Stadtparlament hätte geboten, mit den Nachfolgeformalitäten bis zur nächsten Sitzung zu warten, denn die Amtszeit des bisherigen Amtsinhabers läuft ja erst Ende März aus.

Im Vorfeld der Stadtverordnetenversammlung berichtete die Presse, dass sich für die scheinbar freiwerdende Stadtratsstelle drei SPD-Kandidaten warmliefen, darunter eine Kandidatin aus dem Stadtparlament. Der Parteivorstand der SPD habe sich bereits auf eine Kandidatin als Nachfolgerin von Fink verständigt. Es entstand der Eindruck, dass es jetzt nur noch auf die Mitgliederversammlung der Oberurseler SPD ankomme, wer für Schorr einrückt. Die Bildung des Wahlvorbereitungsausschusses schien erneut zur Farce zu werden.

Negativ zu Buche schlug auch die Besetzung der Geschäftsführungen des städtischen Eigenbetriebs Bau und Service Oberursel (BSO) und der Stadtentwicklungs- und
Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SEWO) mit Parteigängern der Koalitionsparteien, wobei die Betätigungsfelder an die Kenntnisse und Eignungen der dafür ausersehenen Personen angepasst wurden.

In der Stadtverordnetenversammlung am 16. November machte der bisherige Amtsinhaber trotz der scheinbaren Aussichtslosigkeit seiner Kandidatur eine gute Figur, und auch die unterstützenden Reden litten nicht am Makel der Halbherzigkeit. Dennoch überraschte schon das erste Wahlergebnis und auch das zweite, erst recht dann das dritte. Natürlich gibt es jetzt alle möglichen Verschwörungstheorien, mit denen sich Verlierer trösten. Tatsache ist aber, dass es mit der OBG keine Absprachen gab und dafür zwischen den Wahlgängen auch keine Zeit geblieben wäre. Auch die Koalitionsfraktionen hatten nicht um Sitzungsunterbrechung gebeten.

Wer die „Abweichler“ innerhalb der Koalition waren, wissen nur sie selbst. Ihr Votum hat niemandem den Job gekostet. Im Gegenteil. Aber sie haben Weichen gestellt. Geheime Abstimmungen sind immer die Stunde der Wahrheit. Mandatsträger, die bei Kommunalwahlen ihre Persönlichkeit mit allen Risiken öffentlicher Bewertung aufs Tablett der Wählerschaft legen, sind kein Stimmvieh, das sich durch zwei oder drei nervende Vielredner im Parlament um sein Stimmrecht bringen lässt.

Über Christoph Müllerleile

Ich bin Mitglied der Oberurseler Bürgergemeinschaft (OBG) in Oberursel (Taunus).
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